Google+ Julias Buchblog: Hilary Mantel - Wölfe

Samstag, 17. August 2013

Hilary Mantel - Wölfe

Wölfe
Hilary Mantel
ISBN 9783832161934


Man könnte meinen, dass die Geschichte von König Henry VIII. und seinen Frauengeschichten schon oft genug erzählt wurde. Hilary Mantel gelingt es aber, eine überraschende Perspektive zu wählen: sie stellt Thomas Cromwell ins Zentrum und berichtet in einer Trilogie über seine Sicht als Außenseiter, der sich vom Sohn eines einfachen Schmieds zu einem der mächtigsten Männer am englischen Hofe hocharbeitet. Cromwell ist dabei nicht einfach der gewissenlose, machtgierige Emporkömmling, sondern wird als sehr vielschichtiger, manchmal auch undurchschaubarer Charakter gezeichnet, der von seiner schwierigen Kindheit und Jugend ebenso geprägt wird wie durch die Jahre im Dienste von Kardinal Wolsey. Dieser ermöglicht ihm den Zugang zum Hof, wo sich Cromwell durch die Verliebtheit des Königs in Anne Boleyn ganz neue Aussichten bieten, denn er weiß, wie Henry einen Ausweg aus seiner Ehe mit Katharina finden kann...

Für „Wölfe“, den ersten Teil ihrer Cromwell-Biographie, wurde Hilary Mantel völlig zu Recht mit dem Booker-Preis 2009 ausgezeichnet. Ihr Schreibstil ist in seiner Schlichtheit sehr klar und elegant, allerdings nicht ganz einfach und zu Beginn etwas gewöhnungsbedürftig. Hilary Mantel nutzt die personale Erzählweise, geht aber oft eher sparsam mit Namen (vor allem mit dem ihrer Hauptperson) um, so dass manchmal auf den ersten Blick nicht ganz klar wird, wer jetzt gerade handelt. Dass es nicht immer ganz einfach ist, den Überblick über die Personen zu behalten, ist allerdings nicht nur dem knappen Stil geschuldet, sondern liegt zu einem großen Teil daran, dass man damals halt eine Vorliebe für die Namen Thomas, Henry, John, Mary und Anne hatte (die fünf Seiten Personenregister und zwei Stammbäumen bieten da eine nützliche Gedächtnisstütze). Wenn man sich aber darauf einstellt, dass „Wölfe“ kein leicht zu verschlingender Historien-Schmöker ist, sondern etwas Konzentration verlangt, wird man mit einem wunderbaren Kaleidoskop an brillanten Charakterdarstellungen belohnt. Und es ist sehr erfrischend, dass Hilary Mantel nicht bloß bei ihrer Hauptperson die gängigen Klischees umgeht, sondern auch Thomas More mal nicht nur als feinsinnigen Renaissance-Gelehrten zeigt, sondern auch als gefühlskalten Gefangenen seiner Prinzipien. Dabei steht immer die Interaktion der Personen im Vordergrund, so dass sich die Figuren aus vielen einzelnen Szenen und Dialogen langsam entwickeln und ein schillerndes Bild einer Gesellschaft im Umbruch entstehen lassen.

Fazit: keine leichte Kost, aber ein grandioses Portrait einer faszinierenden Persönlichkeit, wenn man sich an den zurückhaltenden Stil gewöhnt hat.

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