Sabine Weiß
ISBN 9783404168873
Lübeck 1375: die junge Henrike führt
ein glückliches Leben als Tochter eines angesehenen Kaufmanns. Für den Besuch
des Kaisers in ihrer Stadt verwöhnt ihr Vater sie mit neuen Kleidern und
reichem Schmuck, auf dem Fest genießt sie die leckeren Speisen und tanzt mit
gutaussehenden jungen Kaufleuten, von denen bereits einer als ihr künftiger
Bräutigam bestimmt ist. Doch statt einer Hochzeit erwartet sie ein Drama: ihr
Vater stirbt noch in der folgenden Nacht überraschend. Ausgerechnet ihr
verhasster Onkel wird zum Vormund über Henrike und ihren kleinen Bruder Simon
eingesetzt. Dessen missgünstige Familie macht ihnen das Leben schwer, zudem ist
der Onkel offenbar in allerlei dubiose Geschäfte verstrickt, so dass die beiden
Waisen um das väterliche Erbe fürchten müssen. Als immer mehr Ungereimtheiten
zum Tode des Vaters auftauchen, nimmt Henrike ihr Schicksal selbst in die Hand...
Endlich mal wieder ein historischer Roman, bei dem ich aus
historischer Sicht fast nichts zu bemängeln habe. Das Leben in Lübeck und die
Welt der Hanse-Kaufleute sind sehr gut recherchiert und lebendig geschildert
und gerade die alltägliche Kleinigkeiten wirken stimmig. Etwas mehr Probleme
hatte ich mit dem Aufbau der Geschichte. Die Autorin neigt manchmal dazu, sich
in Einzelheiten zu verlieren, was die Geschichte vor allem zu Beginn etwas
langatmig wirken lässt. Auch wird der Spannungsbogen durch den regelmäßigen
Perspektivenwechsel nicht verstärkt, sondern hat immer wieder kleinere
Durchhänger. Die Figuren waren mir zudem zu schematisch gezeichnet: die Lieben
sind manchmal etwas einfältig, aber ansonsten tapfer, hilfreich und gut, die
Bösen sind durchgehend hinterhältig, verschlagen und brutal. Einzig die
Hauptfigur Henrike ist etwas plastischer geraten, aber auch da wären neben
ihrer Naivität und ihrer Sturheit etwas mehr Ecken und Kanten wünschenswert
gewesen. Gut gefallen hat mir aber, wie plausibel für die damalige Zeit Henrike
handelt. Klar muss sie eine starke Frauenfigur mit Mut und eigenem Willen sein,
sonst funktioniert die Geschichte nicht, aber oft denken und handeln
Protagonistinnen in historischen Romanen viel zu unabhängig und modern. Henrike
dagegen ist keine emanzipierte Heldin im heutigen Sinn, sondern befindet sich
ständig im Zwiespalt zwischen Benimmregeln und Erziehung einerseits und der
Notwendigkeit zu handeln andererseits. Auch dass die obligate Liebesgeschichte
nur am Rande vorkam, statt den Hauptteil der Geschichte zu beanspruchen, hebt
das Buch wohltuend aus der Masse der Romane heraus, bei denen der historische
Schauplatz oft nur Kulisse für eine schnulzige Romanze ist.
Fazit: ein sehr solider historischer Roman aus der Blütezeit
der Hanse.
Herzlichen Dank an Blogg dein Buch und Bastei Lübbe
für das Rezensionsexemplar!
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