Eine Puppe, die offenbar ein Eigenleben führt, wenn niemand genau
hinschaut, und nicht nur die Bewohner erschreckt, sondern Stück für Stück das ganze
Haus in Besitz nehmen will.
Ein Medium, das bei jeder Séance dünner und schwächer zu
werden scheint, während der beschworene Geist von Mal zu Mal mehr an Substanz
und Kraft gewinnt.
Ein altes Haus, in dem der Geist eines kleinen Jungen spukt,
der von seinem Vater allein zurückgelassen wurde und schließlich vor Hunger und
Einsamkeit starb. Seither versucht er verzweifelt, Gesellschaft zu finden, um
jeden Preis...
Mehr zum Inhalt verrate ich an dieser Stelle nicht, denn diese
drei Appetizer sind klassische Beispiele für Gruselgeschichten, die man in
passender Stimmung selbst entdecken sollte, statt sie hier auf einem Blog plattzuwalzen.
Nun habe ich diese Geschichten allerdings an einem Ort gefunden, wo ich sie
absolut nicht erwartet hätte: in einem Sammelband von Agatha Christies Short
Stories!
Bei der erstmaligen Veröffentlichung
als Sammelband lautete der Klappentext denn auch: "Stories by a world-famous detective-story writer – but not
detective stories this time. Mrs. Agatha Christie has written a collection of
hair-raising tales of mystery and the supernatural. Excitement, horror, pathos,
and humour stalk hand in hand through the pages of the book. Mrs. Christie’s
tales range from psychic nuns to demimondaines, from Chinese jars to haunted
wireless sets; and each one is a perfect example of its kind, with just that
satisfying extra twist that only a really fine novelist knows how to introduce
into a story already full of surprises."
Gerade weil diese Gruselgeschichten
etwas ganz anderes sind als Christies bekannte Detektiv-Stories, sind sie auf
ihre Weise spannend und verdienen etwas mehr Aufmerksamkeit. Deshalb kamen sie
mir gerade recht, als ich gefragt wurde, ob ich bei der Halloween-Blogtour der Weltenschmiede mitmachen will. Nun muss ich dabei zwar etwas schummeln, denn
nicht ganz alle dieser Kurzgeschichten passen hundertprozentig zum Thema
„Geister“, aber trotzdem sollte für jeden Grusel-Fan etwas dabei sein, denn Agatha
Christie deckt in ihren Stories die ganze Bandbreite an paranormalen Vorkommnissen
ab: da gibt es die klassischen Spukgeschichten mit Gespenstererscheinungen von
Verstorbenen, aber auch magische Kräfte, die verfolgte Nonnen beschützen, oder
übersinnliche Warnungen vor drohenden Gefahren kommen vor. Auch das Mysterium
dieser Phänomene wird direkt thematisiert. Oft wird da vom fiktiven Erzähler
oder einer Nebenfigur kritisch die Frage gestellt, ob das beschriebene Ereignis
jetzt wirklich auf übernatürliche Kräfte zurückgeht, oder ob der menschliche
Geist nicht viel eher dazu neigt, sich solche Geschichten zurecht zu basteln,
um mit belastenden Ereignissen oder Fehlfunktionen des Gehirns umzugehen.
Sowohl die Faszination für paranormale Phänomene als auch
die Skepsis sind zeitgebunden: fast alle dieser Geschichten stammen aus den
1920er und frühen 30er Jahren, als Agatha Christies literarische Karriere noch am
Anfang stand. Séancen und spiritistische Zirkel waren damals ein verbreiteter
Zeitvertreib der Oberschicht, gleichzeitig versuchten Sigmund Freud und andere,
die verschiedenen Ebenen der menschlichen Psyche und ihre Funktionsweise
wissenschaftlich zu erklären. Teilweise beruhen die Geschichten auch auf unheimlichen
Erfahrungen der Autorin selbst, seien das wiederkehrende Alpträume oder ihr eigener
11-tägiger Gedächtnisverlust nach dem Schock darüber, dass ihr Mann sie betrog.
Nicht ganz alle dieser Schauergeschichten haben mich allerdings überzeugt. Einige sind ganz hervorragend gelungen, andere konnten mich
gar nicht begeistern und wirken aus heutiger Sicht etwas altertümlich und
trocken. Das liegt vor allem daran, dass Agatha Christie zwar eine Meisterin
darin ist, den Leser in die Irre zu führen und mit unerwarteten Wendungen zu
überraschen. Stilistisch gesehen fehlte ihr dagegen manchmal noch die nötige
Fähigkeit, um die für eine Gruselgeschichte so wichtige Atmosphäre zu schaffen,
zumal die Geschichten ja fast alle aus den Anfangsjahren ihrer
Schriftstellerkarriere stammen. Trotzdem lohnt es sich, diese Kurzgeschichten
zu lesen, denn sie zeigen eine erstaunliche Bandbreite an übernatürlichen
Phänomenen und sind zumindest teilweise auch als Gruselgeschichten wirklich gut
gelungen. Und nicht zuletzt bieten sie die Gelegenheit, mal eine andere Seite
der Krimi-Queen kennenzulernen!
Leider sind diese Kurzgeschichten momentan
nicht mehr gesammelt erhältlich. Ich selbst habe „The Complete Short Stories:
Miss Marple and Mystery“ (HarperCollins 2008) benutzt.
Folgende Geschichten sind in „The Hound
of Death“ (so publiziert 1933, öfters neu aufgelegt, auch auf deutsch) zu
finden:
- The Hound of Death (Der Hund des Todes)
- The Red Signal (Das rote Signal)
- The Fourth Man (Der vierte Mann)
- The Gypsy (Die Zigeunerin)
- The Lamp (Die Lampe)
- Wireless (Am falschen Draht)
- The Mystery of the Blue Jar (Das Geheimnis des blauen Kruges)
- The Strange Case of Sir Arthur Carmichael (Der seltsame Fall des Sir Arthur Carmichael)
- The Call of Wings (Rolltreppe ins Grab)
- The Last Seance (Die letzte Sitzung)
- S.O.S. (SOS)
- The Hound of Death (Der Hund des Todes)
- The Red Signal (Das rote Signal)
- The Fourth Man (Der vierte Mann)
- The Gypsy (Die Zigeunerin)
- The Lamp (Die Lampe)
- Wireless (Am falschen Draht)
- The Mystery of the Blue Jar (Das Geheimnis des blauen Kruges)
- The Strange Case of Sir Arthur Carmichael (Der seltsame Fall des Sir Arthur Carmichael)
- The Call of Wings (Rolltreppe ins Grab)
- The Last Seance (Die letzte Sitzung)
- S.O.S. (SOS)
Daneben gehören zu den paranormalen
Geschichten noch:
- The Dressmaker’s Doll (Die Puppe der Schneiderin)
- In a Glass Darkly (Spiegelbild)
- The Dressmaker’s Doll (Die Puppe der Schneiderin)
- In a Glass Darkly (Spiegelbild)
Und morgen geht die geisterhafte Blogtour bei Mareike weiter
– schaut vorbei!
Ich gebe zu, ich kannte Agatha Christie bisher nur als Krimiautorin - dass sie auch Schauergeschichten geschrieben hat, war mir nicht bewusst.
AntwortenLöschenDie 20er/30er waren in der Hinsicht eine wirklich spannende Epoche.
Die Gruselgeschichten waren für mich auch eine Entdeckung. Ich wusste nur, dass sie sie nach ersten Enttäuschungen auch die Bühnenadaptionen ihrer Bücher selbst geschrieben hat. Zudem hat sie offenbar auch schnulzige Romane verfasst, unter dem Pseudonym "Mary Westmacott". Da müsste ich vielleicht mal einen Blick wagen, aber altertümliche Liebesromane stehen jetzt nicht sonderlich weit oben auf meiner Leseliste. ;-)
Löschenohh Gott:) und wie ich Christie's Bücher liebe <3 Danke für den tollen Tipp!
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