Melinda Nadj Abonji
Deutscher Taschenbuch Verlag
ISBN 9783423140782
Heute gibt es keine Rezension nach dem üblichen Schema, weil
ich keine Inhaltsangabe verfassen kann, da ich es nicht einmal bis zum Ende des
ersten Kapitels geschafft habe. Aber beginnen wir beim Anfang: Im November habe
ich den Stil-Test der FAZ vorgestellt und dabei kam heraus, dass mein Stil dem
von Melinda Nadj Abonji gleichen soll. Allerdings kannte weder ich noch sonst
jemand in meinem Umfeld die
ungarisch-schweizerischen Schriftstellerin, die 2010 den Schweizer und
den Deutschen Buchpreis gewonnen hat. Um diese Bildungslücke zu stopfen, machte
ich mich auf die Suche nach dem preisgekrönten Werk "Tauben fliegen
auf". Doch die Buchhändlerin meinte, das müsse sie erst bestellen, denn
„mit diesem Buch kann man zwar Literaturpreise gewinnen, aber danach verstopft
es bei Verlag und Buchhandel bloß die Regale, weil kein Mensch sowas lesen
will.“ Ich habe mich damals zwar etwas gewundert, aber mir dann das Buch aus
der Bibliothek ausgeliehen. Jetzt verstehe ich allerdings, was sie gemeint hat,
und bin sehr froh, es nicht gekauft zu haben. Warum? Hier ein Satz zur
Kostprobe:
„Nomi stellt meine Bestellung aufs Tablett, was eigentlich
meine Aufgabe wäre, Nomi, die ausserdem das Radio nie anstellt, wenn ich im
Service arbeite, weil sie weiss, dass mich das nervös macht, der Pfister hat
sein Ei schon bekommen, sagt sie leise und zwinkert mir zu (und Mutter hat uns
verboten, uns in unserer Geheimsprache zu unterhalten, weil das die Gäste
provoziert, dann glauben sie, dass wir über sie tratschen), ich setze mich mit
vollem Tablett in Bewegung, um die Menschen zu besänftigen, denke ich, und ich
mag die Bauarbeiter, ihre ausgehungerten Augen, die ungeduldig warten, ihre
müden Gesichter, die sich keine Mühe geben, nett auszusehen, sechs, sieben
Männer, die am Tisch sitzen, rauchen, kauen oder Kaffee trinken, die aber vor
allem eines nicht wollen, nämlich zuviel reden, guten Morgen!, und ich stelle
die Kaffees auf die zusammengerückten Tische, alle trinken Kaffee, stark, mit
viel Zucker, und auch deswegen man ich die Bauarbeiter, weil sie klare Wünsche
haben.“ (S. 103-104)
Nein, ich habe jetzt nicht absichtlich den längsten Satz
herausgesucht, ich habe einfach das Buch irgendwo aufgeschlagen und gehofft,
keinen der ganz langen Sätze zu erwischen, denn die können über mehr als zwei
Seiten gehen! Ein Satz pro Abschnitt, so beginnt das Buch, und so bleibt der
Stil über die ganzen dreihundert Seiten. Mich macht das ganz irre, ich hetze atemlos
den Satzteilen hinterher und verliere dabei ständig den Anschluss ans bereits
Gelesene. Nach ein paar Seiten muss ich jeweils aufgeben, weil ich mich in
irgendeinem Monstersatz so verheddert habe, dass ich das Buch genervt weglege.
Insofern habe ich nicht mal das erste Kapitel beendet, bevor ich kapituliert
habe. Schade eigentlich, denn inhaltlich ist das, was ich so gelesen habe,
wirklich gut. Die Gegensätze zwischen dem Exil in der Schweiz und dem kargen
Dorfleben in Serbien, die Familienstrukturen mit ihren Abgründen, die Wunden,
die der Krieg verursacht hat – all das wird eindrücklich geschildert und wäre
wirklich lesenswert. Aber es geht nicht, ich kann mich einfach nicht an diese
unsäglichen Bandwurmsätze gewöhnen, zumindest nicht ohne enorme Konzentration.
Und da ich eigentlich zum Vergnügen lese, fehlt mir da schlicht der
Durchhaltewillen. So habe ich leider auch nicht herausfinden können, inwieweit
mein Schreibstil demjenigen von Melinda Nadj Abonji ähnelt, denn an der
Satzlänge liegt es ganz sicher nicht!
Oh, es gibt tatsächlich so einige Autoren, die ein Faible für diese Art des Schreibens haben.
AntwortenLöschenIn "Solal" gab es teilweise seitenlange innere Monologe ohne Punkt und Komma, die noch schlimmer waren, als der von dir gepostete Beispielsatz.
Ich verstehe nicht - und werde wohl nie verstehen - warum fast immer schwer lesbar geschriebene Werke Preise erhalten.
Vielleicht, weil etwas, das auch beim Leser gut ankommt, zu "Mainstream" oder gewöhnlich für einen Literaturpreis ist?
Ich fände z.B., dass J.K.Rowling den Nobelpreis für Literatur gewinnen sollte - nicht mal, weil "Harry Potter" so besser geschrieben ist als viele andere Bücher, sondern weil sie damit die Jugendbuchbranche quasi wieder zum Leben erweckt hat. Weil sie die Jugend dazu gebracht hat, in einem Zeitalter der Computer wieder mehr zu lesen. Weil sie die Welt bewegt hat.
Meiner Meinung nach sollte sowas preisgekrönt sein.
Ich habe manchmal auch den Verdacht, dass Literaturpreise grundsätzlich an Bücher vergeben werden, die nur ja nicht in den Verdacht geraten könnten, massentauglich zu sein. Zudem hat man hier noch den Frauen- und den Migrantenbonus, und die Dame sieht auch noch fotogen aus, also sozusagen die ideale Preisträgerkombination!
LöschenAber eben, die Leute lesen halt nicht Literatur, sondern Bücher ;) Und da ist eine J.K.Rowling ein absoluter Glücksfall, weil sie eine ganze Generation zum Lesen animiert hat. Aber seien wir ehrlich, ein Preis(geld) hat sie nicht nötig und die Wertschätzung ihrer Leser bekommt sie auch so...
Das Gefühl habe ich auch. Habe mich ein einziges Mal vom Vermerk "Gewinnerin des Nobelpreises für Literatur" antreiben lassen, ein Buch zu kaufen. Es war seeeehr merkwürdig geschrieben und hat mir alles andere als gefallen.
LöschenSo ist es - Leute lesen Bücher. Und zwar überwiegend, um unterhalten zu werden - zumindest ich lese sogar Sachbücher mit diesem Anspruch. Wer liest schon, um sich mit einem Buch abzumühen? Selbst noch so puristische Leser wollen im Endeffekt Vergnügen beim Lesen.
Natürlich hast du Recht, dass Rowling kein Preisgeld nötig hat - aber ich finde es schade, dass die Bücher noch keinen einzigen Preis gewonnen haben (habe jedenfalls noch von keinem gelesen). Einfach um symbolisch ein Zeichen zu setzen.