Pierre Bayard
ISBN 9783888974861
Bücher sind beliebte Gesprächsthemen, bestens geeignet für
Smalltalk. Dabei birgt eine solche Unterhaltung einige Risiken. Da wird über
den neusten Skandalroman diskutiert, obwohl auf Nachfrage eigentlich niemand
zugeben will, ihn gelesen zu haben, oder die Wahl des Literaturnobelpreises
debattiert, obwohl man bis vor Kurzem nicht mal den Namen des Preisträgers
kannte. Und oft gibt man zu einem Buch ein Urteil ab, obwohl man sich nur mal
darin geblättert hat. Dumm nur, wenn sich dann das Gegenüber als Fan des eben
abqualifizierten Werk entpuppt und eine detaillierte Begründung will. Um genau
solche Situationen mit Bravour zu meistern, hat Pierre Bayard dieses Buch
geschrieben. Dabei nimmt er dem Leser als Erstes das schlechte Gewissen, denn
er unterscheidet vier Arten des Nicht-Lesens: Bücher, die man nicht kennt;
Bücher, die man quergelesen hat; Bücher, die man vom Hörensagen kennt; und
Bücher, die man gelesen, aber wieder vergessen hat. Wenn man nämlich ehrlich
ist, ist man mit vielen Büchern, die man mal gelesen hat, längst nicht mehr so
vertraut, wie man glaubt. Anschließend schildert Bayard verschiedene
Situationen, in denen wir über unbekannte Bücher sprechen (müssen), und
empfiehlt Strategien, um damit umzugehen.
Wenn es nun scheint, als halte der Literaturprofessor Bayard
das Lesen für überflüssig, so täuscht man sich, denn die ganze Sache hat einen
Haken. Um wirklich fundiert über Bücher sprechen zu können, die man nicht
gelesen hat, muss man sie zumindest einordnen können, in Genres, Epochen etc.
Und dafür muss man eine Ahnung von Literatur, ihrer Funktionsweise und ihrer
Geschichte haben – was schwerlich erreichbar ist, ohne Bücher zu lesen. Bayard
plädiert also nicht fürs Nichtlesen, sondern nur dafür, kein schlechtes
Gewissen zu haben, wenn man ein bestimmtes Buch nicht gelesen hat und sich
trotzdem eine Meinung dazu erlaubt. Das führt zum Paradox, dass je mehr Bücher
man gelesen hat, desto besser wird man darin, über jene Bücher zu sprechen, die
man nicht gelesen hat. Insofern ist das ganze Buch eigentlich eine Hommage an
die Literatur und entsprechend mit Zitaten und Anspielungen von verschiedensten
Autoren gespickt. Dabei führt Bayard den Leser auch manches Mal gekonnt in die
Irre, um zu verdeutlichen, wie trügerisch die Erinnerung sein kann.
Fazit: Ein wunderbares Buch für alle, die sich gerne mit
Literatur beschäftigen, und nebenbei ein praktischer Ratgeber, um sich beim
nächsten Smalltalk vor Besserwissern keine Blöße mehr zu geben.
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