CKLKH Fischer
ISBN 9783940767608
Hamburg im September 1899: In Europa ziehen Völkerschauen
Millionen von Besuchern an. Jeder will die Eskimos, Beduinen oder Negerstämme
sehen, die in den Zoos und Varietés der Metropolen ausgestellt werden. Deshalb
reist Heinrich Hermann im Auftrag des legendären Tierhändlers und
Tierparkbesitzers Hagenbeck durch die Welt und sucht nach lohnenswerten
Ausstellungsobjekten. Nach vielen Strapazen gelingt es ihm, im Dschungel von
Deutsch-Neuguinea einen neuen Stamm Kopfjäger unter Vertrag zu nehmen und sie
erfolgreich nach Hamburg zu bringen. Doch er hat nur wenig Zeit, sich seiner
Frau und seiner geliebten Tochter zu widmen, denn die Wilden haben schnell
gelernt. Eines Morgens meldet das Dienstmädchen aufgeregt: „Da ist jemand vom
Tierpark. Er sagt, Sie sollen schnell mitkommen. Er sagt, es eilt. Er sagt
auch, Ihre Wilden würden - streiken. Und sie hätten sich einen Anwalt
genommen.“
Heute zur Abwechslung wieder ein „eigenes“ Buch, deshalb
auch keine Sternchenbewertung. Das war mein erster historischer Roman, den ich
mir als Lektorin selber aussuchen konnte. Dass man exotische Menschen Ende des
19. und zu Beginn des 20 Jahrhunderts in Zoos ausgestellt hat, war mir schon
seit längerem bekannt. Sie wurden zwar selten mit Gewalt geraubt, aber oft
nicht besser als Vieh behandelt und zur Belustigung des europäischen Publikums
zur Schau gestellt. Was mir bei diesem Buch aber besonders gut gefallen hat,
ist die Idee, die Machtverhältnisse umzukehren. Da mit diesen „Wilden“
tatsächlich Verträge geschlossen wurden und man sie zumindest für die Reise mit
gültigen Papieren ausstatten musste (schließlich waren sie als Einwohner einer
deutschen Kolonie deutsche Untertanen), waren sie also theoretisch rechtsfähig.
Dadurch, dass im Roman nun die Wilden über Anwälte ihre Ansprüche durchsetzen,
stellen sie die bürgerliche Welt auf den Kopf und lassen die Grenzen zwischen
„wild“ und „zivilisiert“ verschwimmen. Das führt zu herrlich absurden
Situationen, etwa wenn Heinrich Hermann gezwungen ist, die Wilden zur
Geburtstagsfeier seiner Mutter mitzunehmen, weil ihnen im Vertrag das
„Kennenlernen deutschen Brauchtums“ zugesichert wurde. Ein sehr lesenswerter
Roman über ein wenig ruhmhaftes Kapitel europäischer Geschichte.
In Wien gabs in dem Zusammenhang mal ein besonders "geschmackvolle" Kuriosität; nämlich einen ausgestopften Schwarzafrikaner...
AntwortenLöschenhttp://de.wikipedia.org/wiki/Angelo_Soliman
Schön...
LöschenEs lagern ja auch noch allerlei Knochen von "Wilden" zu Vergleichszwecken in den Skelettsammlungen der ethnologischen Museen, auch sehr pietätvoll. Da laufen auch mehrfach Rückforderungen, damit man sie wenigstens nach Tradition bestatten kann...