Pierre Bayard
ISBN 9783888978258
Marco Polo ist nie weiter gereist als Konstantinopel,
trotzdem wurden seine Geschichten über seine Abenteuer in China als
authentische Reiseberichte gefeiert. Dass darin Einhörner und Menschen mit
Hundeköpfen vorkamen, störte offenbar niemanden, weil Marco Polos Bericht den
Vorstellungen seiner Zeitgenossen vom exotischen fernen Osten gerecht wurde.
Ebensowenig zweifelten tausende begeisterte Leser von Karl Mays
Abenteuerromanen daran, dass dieser all diese Geschichten selbst erlebt hatte
oder zumindest nur seine eigenen Erfahrungen etwas ausschmückte. Nach dem
Erfolg der Bücher organisierte Reisen lieferten dann auch „authentische“ Fotos,
um die Neugierde der Fans zufrieden zu stellen. Vielen Schriftstellern gelang
es offenbar vorzüglich, über ferne Länder zu schreiben, ohne sich vom
heimischen Schreibtisch wegzubewegen. Daraus entwickelt Bayard in seinem Essay
seine Theorien über den „sesshaften Reisenden“ und warum dessen Schilderungen
aus der Distanz oftmals authentischer sind, als wenn dieser die beschwerliche
Reise tatsächlich auf sich genommen hätte.
Nach den Büchern, die man nicht gelesen haben muss, widmet
sich Bayard also nun den Reisen, die man nicht gemacht haben muss, um trotzdem
darüber reden (oder eben schreiben) zu können. Hinter diesem provokanten Titel
verbirgt sich nicht wirklich ein Ratgeber, sondern ein facettenreicher
Überblick über die Kunst des literarischen Reisens. Auch diesmal verdeutlicht
Bayard seine Thesen dadurch, dass er sie am Leser selbst testet und diesen
gekonnt in die Irre führt. Aber auch wenn dieses Buch einen großartigen
Überblick über die verschiedensten Schriftstellern und ihre geographische
Ausflüge bietet, so kann es mit dem
Reiz, den Wie man über Bücher spricht, die man nicht gelesen hat entwickelt
hat, doch nicht ganz mithalten. Letztlich finde ich Bayards These, dass nicht
die tatsächliche Anwesenheit an einem Ort entscheidend sei, sondern die „literarische
Wahrheit“, die dem Leser einen authentischen Eindruck davon vermitteln kann,
relativ banal. Bei seinen Lesern durch eine glaubwürdige, nachvollziehbare
Schilderung ein plastisches Bild eines bestimmten Ortes entstehen zu lassen,
ist eine Kunst, die einen guten Autor auszeichnet, unabhängig davon, ob sich
dieser Ort nun real existiert oder ein reines Phantasieprodukt ist. Das nimmt
Bayards Essay zwar nichts von der Faszination seines literarischen Feuerwerks,
lässt den argumentativen Aufbau aber etwas arg aufgebauscht wirken.
Herzlichen Dank an den Antje Kunstmann Verlag für das Rezensionsexemplar!
Herzlichen Dank an den Antje Kunstmann Verlag für das Rezensionsexemplar!
Das Buch würde mich interessieren, da ich es mir leider nicht leisten kann, die ganzen Handlungsorte zu bereisen, über die ich schreibe - und teilweise ist es nicht möglich, da es historische Orte sind.
AntwortenLöschenDanke fürs Vorstellen :)
Wenn dich das Buch interessiert, frag doch beim Verlag nach einem Rezensionsexemplar. Meine Rezi ist die erste deutschsprachige überhaupt, das Buch ist erst seit einer Woche auf dem Markt, da dürfte der Verlag froh sein um weitere rezensier-willige Blogger. Und thematisch kann ich mir das bei euch Weltenbastler gut vorstellen, da es oft darum geht, was eine Ortsbeschreibung ausmacht, damit der Leser sie als glaubwürdig empfindet.
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