Bettina Bormann
ISBN 4042564122619
Der Erstlingsroman „Imago – für immer dein“ der Hamburger
Künstlerin Bettina Bormann erzählt eine Geschichte, die mit völlig
alltäglichen Szenen beginnt, aber von Seite zu Seite markabrere Züge annimmt:
Sabrina Rohner, 35, ist Taxifahrerin und hat über den
Berufsalltag hinaus kaum soziale Kontakte. Ihr Vater, ehemals ein
Schürzenjäger, ist seit 18 Jahren verschwunden, was Sabrina nie verwunden hat
und zumindest teilweise auf eigenes Verhalten zurückführt. Ihre Schuldgefühle
äußern sich in Selbstkasteiung und latenten Vorwürfen gegenüber ihrer
manipulativen Mutter Elisabeth. Aber als pflichtbewusste Tochter muss sie sich
um die alltäglichen Bedürfnisse von Elisabeth kümmern, da diese seit dem
Verschwinden ihres Mannes ihre Wohnung nicht mehr verlässt. Erst als Sabrina
nach dem Tod ihrer Mutter in der Bettzeugschublade die mumifizierte Leiche
ihres Vaters mit eingeschlagenem Schädel findet und begreift, dass er sie gar
nie verlassen hat, blüht sie auf und lebt an seiner Seite ein morbides
Familienidyll.
Wer hier schon über die neurotischen Protagonisten den Kopf
schüttelt, sei gewarnt: die Nebenfiguren sind nicht minder pathologisch. Da ist
etwa Sabrinas Nachbarin, die es hinnimmt, vom Ehemann und von ihrem Liebhaber
gleichermaßen verprügelt zu werden. Außerdem gibt es da den despotischen
Nachbarn, der von der Mumie weiß und Elisabeth und Sabrina zu erpressen
versucht. Oder die alte Biologielehrerin, die derartige Probleme mit Gift löst,
durchdrungen von Männerhass, seit ihre Schwester nach einer Vergewaltigung
Selbstmord begangen hat. Und zuletzt noch Lea, eine Halbschwester Sabrinas, die
von ihrem Sportlehrer, den sie verführt hat, schwanger ist und sich auf die
Suche nach ihrem eigenen Erzeuger macht. Doch Sabrina ist nicht bereit, den
geliebten Vater zu teilen.
Aber diese Ansammlung an skurilen Figuren ist nicht nur das
Hauptmerkmal der Geschichte, die schwache Figurenzeichnung ist eben auch das
Hauptproblem des Romans. Klar, auf 170 Seiten bleibt neben der stellenweise
recht dichten Handlung wenig Raum für eine detaillierte Charakterentwicklung.
Trotzdem wären weniger klischeehafte und überzeichnete Geschlechterrollen ganz
nett gewesen. Die Männer entpuppen sich durchs Band als tyrannische Ekel, die
Frauen reagieren darauf mit (selbst)zerstörerischen Verhaltensweisen. Störend auch sind die „Monologe“, die den Kapiteln vorangestellt sind: eine
seltsame Mischung aus Gedichten, Lexikoneinträgen und vagen Gedanken. Die
Geschichte selbst mit all ihren markabren Wendungen ist flüssig erzählt, in
relativ kurzen, einfachen aber bildhaften Sätzen. Sehr schön ist die beigelegte
Hörbuchfassung, von der Autorin selbst eingelesen. Der Schluss bietet eine
Wendung, die durchaus überrascht, aber gut zu den Charakteren passt und stimmig
erscheint. Dass die Logik dabei untergeht, ist da nebensächlich.
Fazit: Wer seichte
Unterhaltung mit morbidem Unterton mag, wird nicht enttäuscht. Wer sich jedoch
eine Geschichte wünscht, bei der man sich mit den Protagonisten identifizieren
kann, sollte „Imago“ besser nicht zur Hand nehmen: die einzige halbwegs
sympathische Figur im ganzen Roman ist die Katze.
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