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Montag, 20. Mai 2019

Martina Sahler - Die Zarin und der Philosoph

Die Zarin und der Philosoph
Martina Sahler
ISBN 9783471351789


I1762 in St. Petersburg: Die junge Katharina hat sich ihres Gatten entledigt und herrscht nun alleine über Russland. Das sorgt natürlich für Unruhe an den anderen europäischen Höfen, die nicht wissen, wie sie die junge Zarin einschätzen sollen. Also schickt Friedrich der Große den Philosophen Stephan Mervier an den Zarenhof, um Katharina auszuspionieren. Mervier, der sich den Idealen der Aufklärung verpflichtet fühlt, tut sich schwer mit der selbstherrlichen Art der Alleinherrscherin, die sich zwar weltoffen und fortschrittlich gibt, an den Grundproblemen der Menschen in Russland aber wenig ändert. Schon kurz nach seiner Ankunft entdeckt er, dass er nicht alleine ist mit seinen Ansichten, und so rutscht er bald in einen revolutionären Zirkel, dessen Umtriebe immer riskanter werden. Stephans Frau Johanna dagegen fühlt sich in Petersburg weiterhin fremd. Ihre Versuche, als Malerin Fuß zu fassen, laufen schleppend, und da ihr Mann sie aus Vorsicht nicht in seine gefährlichen Unternehmungen einweiht, fühlt sie sich ausgeschlossen und alleine. Kann Boris Albrecht, der selbst zwischen seinen Ambitionen als Autor und den Erwartungen seiner Familie zerrissen ist, sie aus ihrer Einsamkeit befreien?

Der Roman bietet ein großes Panoptikum des damaligen Russland. Die Perspektive wechselt ständig, neben den Protagonisten wie Stephan Mervier, seiner Frau, den anderen Mitverschwörern und der Zarin rücken auch immer wieder mal Randfiguren wie beispielsweise der Leibeigene und Rebell Andrej in den Fokus. Diese Breite bietet Einblicke in verschiedenste Lebenswelten, sorgt aber auch für Probleme, weil bei so viel Stoff auf knapp 500 Seiten zwangsläufig die meisten Einblicke oberflächlich bleiben und es mir als Leserin schwerfiel, eine Beziehung zu den Protagonisten aufzubauen. Das wird dadurch noch verstärkt, dass der Roman eine Zeitspanne von 14 Jahren abdeckt. So werden Veränderungen oft nur rasch skizziert und nicht aus der Entwicklung der Personen heraus verständlich. Ein weiteres, für mich schwerwiegenderes Problem liegt in der Beschränktheit der Figuren, die der Plotentwicklung geschuldet ist. Die Empörung der Aufklärer, die Katharina vorwerfen, sie sei keine "europäische" Fürstin, wirkt naiv angesichts der Tatsache, dass zum Zeitpunkt des Romans die Leibeigenschaft in den meisten deutschen Fürstentümern ebenfalls noch galt, in Preußen Friedrich der Große seine Untertanen von Krieg zu Krieg zwang und total verheerte Landstriche zurückließ und Marie Antoinette in Frankreich Schäferin spielte, statt sich um die Not ihrer Untertanen zu kümmern. Dazu kommen mangelhaft recherchierte Details, die das historische Bild trüben. Es bleibt etwas der Eindruck, dass sich die Autorin bei der Ausarbeitung ihres Romans auf nahezu allen Ebenen übernommen hat.

Fazit: eine nette Grundidee, aber leider hat die Autorin zu viel gewollt und zu wenig erreicht.


Herzlichen Dank an Vorablesen und den List Verlag fürs Rezensionsexemplar.

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