Google+ Julias Buchblog: Ludger Fischer - Kleines Lexikon der Küchenirrtümer

Donnerstag, 15. Oktober 2015

Ludger Fischer - Kleines Lexikon der Küchenirrtümer

Kleines Lexikon der Küchenirrtümer
Ludger Fischer
ISBN 9783821857008


Ein bisschen Essig ins Kochwasser beim Eierkochen, damit sie nicht springen, oder die Reiskörner im Salzstreuer, damit das Salz nicht klumpt: jeder, der mehr kochen kann als Dosenravioli und Backofenpizza, kennt sie, solche überlieferten Küchenweisheiten, die wir befolgen, ohne darüber nachzudenken. Aber steckt wirklich etwas dahinter? Ludger Fischer, Hobbykoch und Lebensmittelexperte, hat die diversen „Regeln“ gesammelt und mal etwas genauer angeschaut. Dabei entlarvt er, wie viele Mythen sich im Laufe der Jahrzehnte in unsere Küchen geschlichen haben, und erklärt die Hintergründe. Das scharfe Anbraten von Fleisch etwa dient nicht dazu, die Poren zu schließen, denn reines Muskelfleisch besitzt gar keine Poren, stattdessen entwickeln sich beim Anbraten schmackhafte Röstaromen und eine optisch ansprechende Bräunung. Alphabetisch sortiert bietet das Buch einen netten Überblick, so dass sich einzelne Einträge auch rasch nachschlagen lassen.

Manches in diesem Buch ist ganz nützlich. Dass sich beispielsweise Eischnee auch aufschlagen lässt, wenn aus Versehen noch ein Tropfen Eigelb dabei ist, habe ich (trotz langjähriger gegenteiliger Überzeugung) inzwischen ausprobiert und kann bestätigen, es funktioniert problemlos. Dass dabei eine Messerspitze Natron beschleunigend wirkt, war mir auch neu, allerdings schlage ich den Eischnee mit dem Mixer auf, da ist es mir auch egal, wenn es ein paar Sekunden länger dauert, wenn ich stattdessen auf das Abmessen und Unterrühren des Natrons verzichten kann. Weitere Küchenmythen dienen eher der Unterhaltung, oder glaubt jemand ernsthaft, dass man Pudding ausschließlich nur rechtsherum rühren darf, damit er schmeckt?
Leider lassen sich diese hilfreichen oder lustigen Informationen nur selten finden, der größte Teil des Buches ist eher ärgerlich. Manches hat mich irritiert, so etwa die Behauptung, dass Fleur de Sel gleich schmecke wie jedes andere Salz auch, denn meine Geschmacksnerven sagen mir da etwas anderes. Auch bin ich mehrmals über Aussagen gestolpert, die sowohl meinen praktischen Erfahrungen als auch meinen Physikkenntnissen widersprochen haben. Zudem sind viele Beiträge unnütz aufgebläht, so dass eigentlich hilfreiche Informationen im allgemeinen Blabla untergehen.
Richtig genervt war ich dann aber nach einem Blick auf die Autoreninfo. Stutzig gemacht hat mich das vehemente Eintreten von Ludger Fischer für Gentechnik, Konservierungs- und sonstige Zusatzstoffe. Und tatsächlich, Herr Fischer arbeitet als „Politikberater in Brüssel“, ist also ein Lobbyist der Lebensmittelindustrie. Leider macht der Anteil der offensichtlich durch seine Lobbyarbeit beeinflussten Einträge fast ein Drittel des Buches aus, zudem lässt das akute Zweifel an der Objektivität der restlichen Informationen aufkommen. Wer also nach soliden, kompakten Informationen rund ums Kochen sucht, sollte die Finger von diesem Buch lassen. Und wer sich gezielt für einzelne Kochmythen interessiert, kann sich das Buch ja in der Bibliothek holen...

2 Kommentare:

  1. Danke für diesen Beitrag. Es gibt natürlich unzählige Kochmythen, die haltlos sind. Ich sage nur "Fleisch anbraten, damit sich Poren schließen". Es gibt aber auch Dinge, die überliefert sind und trotzdem Sinn machen. Essig im Kochwasser gehört zur letzteren Kategorie. Es verhindert zwar das Platzen nicht, senkt aber den ph-Wert der Kochflüssigkeit, was wiederum die Gerinnung des Eiweißes beschleunigt. Wenn die Schale beim Kochen platzt, läuft so nicht so viel heraus. Also ist die Beigabe schon sinnvoll.

    Fleur de Sel ist, wie jedes andere Kochsalz hauptsächlich NaCl,also Natrium-Chlorid. Es enthält aber auch andere Mineralien, allerdings weitaus weniger, als man meist denkt. Ich persönlich finde auch, dass es milder schmeckt, habe aber aber noch nie einen Blindversuch gemacht und weiß deshalb nicht, wie weit da psychologische Momente eine Rolle spielen. Auf jeden Fall ist das Mundgefühl angenehmer und das ist doch auch schon was.

    Wer, wie Herr Fischer, mit Halbwissen glänzen will oder gezielt Fehlinformationen verbreitet, sollte keine Bücher veröffentlichen dürfen. Schade ums Papier.

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    1. Beim Essig im Wasser kommt es wohl auf die Menge an. Der Autor rechnet einfach mal auf, wie viel Essig wirklich rein muss, um den ph-Wert relevant zu senken. Das ist meistens mehr, als der durchschnittliche Koch verwendet, insofern kann man da schon von einem Mythos sprechen. Zudem würde dann eine saure Kochflüssigkeit die Schale angreifen, könnte also das Platzen noch begünstigen. Ich persönlich lasse Essig etc. sein, schaue aber, dass ich die Eier nicht kühlschrankkalt ins Kochwasser gebe, dann platzt auch (fast) keins mehr.

      Ich denke, beim Salz kommt es vor allem auf die Kristalisationsform und die unterschiedliche Verwendung an. Klar, in einer hochkonzentrierten Lösung, wie Fischer das getestet hat, schmeckt wohl alles gleich. Aber das Mundgefühl und damit auch die Wahrnehmung des Geschmacks sind anders, je nachdem, ob man die Flocken von Fleur de Sel, grobes Meersalz und normales (feines) Haushaltssalz auf ein Gericht streut. Aber Herr Fischer scheint es ja vor allem darum gegangen sein, die diversen Konservierungsstoffe zu rechtfertigen, da bleibt dann für Feinheiten wie die unterschiedlichen Formen von Salzkristallen kein Raum mehr...

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