Google+ Julias Buchblog: Sophie Hannah - Der offene Sarg

Sonntag, 18. März 2018

Sophie Hannah - Der offene Sarg

Der offene Sarg: ein neuer Fall für Hercule Poirot
Sophie Hannah
ISBN 9783455600537



Sophie Hannah lässt Hercule Poirot wieder ermitteln: Die 70-jährige Lady Athelinda Playford, erfolgreiche Autorin einer Krimi-Reihe für Kinder, hat auf ihr irisches Landgut geladen, doch aus dem festlichen Dinner wird ein Trauerspiel. Denn nach dem ersten Gang lässt die Gastgeberin eine Bombe platzen: sie hat ihr Testament geändert, nun erbt alles ihr charmanter Sekretär und die beiden Kinder gehen leer aus. Besagter Sekretär leidet allerdings an einem tödlichen Nierenversagen und hat nur noch wenige Monate zu leben. Theoretisch zumindest, denn kurz darauf wird er mit eingeschlagenem Schädel aufgefunden. Poirot macht sich sofort auf die Jagd nach dem Mörder, unterstützt von seinem Freund Catchpool, Inspector von Scotland Yard...

Als Agatha Christie-Fan war ich begeistert von der Idee, endlich wieder einen neuen Fall mit Hercule Poirot lesen zu können. Leider verflog diese Begeisterung schon nach wenigen Kapiteln, denn als Fortführung der Geschichten um den belgischen Meisterdetektiv ist dieser Krimi rundum misslungen. Statt der relativ einfachen, aber gefälligen Sprache Christies schreibt Hannah gestelzt und holprig. Gespreizte Formulierungen wie "Die unerhörten Begebenheiten, die ich zu schildern kaum begonnen habe..." helfen nicht unbedingt, in einen Lesefluss zu kommen. Jede Szene zieht sich unnötig in die Länge (deshalb hat der Roman auch etwa den doppelten Umfang eines typischen Agatha Christie-Krimis), bleibt aber trotzdem blutleer und fade. Dazu kommt eine Übersetzung, die von einer profunden Unkenntnis des Settings zeugt (beispielsweise ist sponge cake auf deutsch ein Biskuit, kein "Schwammkuchen"!). Viel schlimmer als die sprachlichen Patzer war aber das, was Hannah mit ihren Figuren, allen voran Hercule Poirot, angestellt hat. Wer sich an eine Wiederbelebung einer so prominenten Romanfigur macht, sollte doch einigermaßen mit deren Charakterzügen vertraut sein. Doch stattdessen wirkt Hannahs Poirot wie eine Karikatur seiner selbst, ohne die typischen liebenswerten Marotten, ohne Esprit, ohne Charme. Dass Poirot zudem in der Geschichte kaum vorkommt, hilft auch nicht, denn die anderen Figuren sind noch schlimmer, holzschnittartig, überzeichnet und vor allem furchtbar inkonsistent, denn in fast jedem Dialog finden sich Sätze, die eine vorherige Charakterisierung wieder ad absurdum führen. Einzig der Kriminalfall ist nicht schlecht gemacht, das Mordmotiv ist überraschend elegant, auch wenn ein gewiefter Christie-Leser die entscheidenden Hinweise viel zu früh entdeckt, was der Geschichte einen Großteil der Spannung nimmt. Und ein psychologisch schlüssiger Mord geht letztlich nur auf, wenn die Figuren halbwegs lebendig und in sich stimmig sind, was wie erwähnt hier leider so gar nicht der Fall ist.

Fazit: eine Neubelebung einer derart prominenten Figur sollte man nur angehen, wenn man sein Handwerk beherrscht und mit dem Original wirklich vertraut ist, was hier leider beides nicht der Fall ist.


Und wer sich nach einem "neuen" Poirot-Fall sehnt, sollte sich die Märchenadaption von Ruth M. Fuchs ansehen, die kommt dem Grundton des Originals bedeutend näher.

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